Beispiel Kurzvortrag ‚Märchen‘

Von den 40 bis 50 geplanten Kurzvorträgen können mehr als 30 bereits jetzt jederzeit „on demand“ gehalten werden. Nachstehend -1- Beispiel:

Kurzvortrag:

Die bekanntesten  deutsch(sprachig)en Märchenbücher

Materialien:

Hänschen im Blaubeerenwald

2 Bücher Hauff

1 x Bechstein

1 x Musäus

1 x 1001 Nacht

1 x H. Chr. Andersen

2 x Grimm

Folien

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

dieses Buch hier

[zeigen: Hänschen im Blaubeerenwald  von Elsa Beskow]

wird mich stets an „Loriot“ erinnern:

Ende 1999/Anfang 2000 klingelte bei mir zu Hause, damals noch im Taunus, mein Telefon.

Ein Herr [von] Bülow war am Apparat,

auf der Suche nach einem
„allerliebsten Bändchen“,

das bei mir „wohlfeil zu haben“ sei.

„Häns-chen-im-Blau-beeren-wald, so
lautet der korrekte Buchtitel!“

Die Stimme kam mir bekannt vor und
ich fragte:

„Herr von Bülow, könnte man auch
„Herr Loriot zu Ihnen sagen?“

Die Antwort: „Nun ja, wenn Sie so wollen, durchaus!“

Wenn Sie das interessiert, kann ich Ihnen gerne die ganze „story“ erzählen; wobei ich bis heute nicht weiß:

Interessierte sich ,Loriot’ tatsächlich für

„Hänschen im Blaubeerenwald“ oder

galt sein Anruf der Recherche für einen neuen Sketch;

vielleicht über ,verschrobene Menschen’ wie mich, die sich mit antiquarischen Büchern befassen.

Hier und jetzt geht es aber um ein anderes Thema:

Das Buch hat mich auf eine These gebracht.

Ich bin kein Ethnologe, Germanist oder Literaturwissenschaftler,

aber als Journalist und Historiker fiel mir etwas auf:

Hänschen im Blaubeerenwald – dieses Buch hier ist die 1. deutsche N a c h kriegs-auflage von 1948 noch mit Impressum der US-Militärregierung – erschien 1901 in Schweden.

Die Autorin hat ihre Bücher selbst illustriert,

gilt deshalb als erste schwedische Bilderbuch-Autorin,

1952 erhielt sie die Nils-Holgersson-Plakette für ihr Lebenswerk

und seit 1958 wird die Elsa-Beskow-Plakette für das schönste Bilderbuch verliehen.

Und jetzt kommt das, was mir auffiel, als ich mich mit den bekanntesten deutschsprachigen Märchenbüchern etwas näher befasste:

Elsa Beskow (1874 – 1953) war die Tochter eines Geschäftsmannes; der musste Konkurs anmelden, starb bald darauf und dann zogen die Mutter, Elsa Beskow und ihre jüngeren Geschwister zu deren Tante.

Das klingt nun nicht gerade nach „heiler Welt“…

Wenn man an Kinderbücher denkt, dann zu allererst an die der Brüder Grimm.

Aber es gab schon v o r denen Märchensammler, zum Beispiel:

Johann Karl August Musäus (1735 – 1787).

[Folie und Buch Musäus, 1803, zeigen]

Übrigens: Sein Name ist vor allem mit „Rübezahl“ verbunden,

der aber in diesem Werk nicht vorkommt. Ich versuche gerade,

eine alte Rübezahl-Ausgabe zu beschaffen.

Betrachten wir nun die Stationen im Leben von Musäus:

Er wurde als einziger Sohn eines Landrichters in Jena geboren;

aber bereits in Alter von neun Jahren kam er zu seinem Onkel nach Allstedt und wurde offenbar sehr streng erzogen.

Onkel und Neffe – unser Märchensammler also – zogen einige Jahre später um nach Eisenach, denn Musäus’ Vater bekam dort eine neue Stelle.

Von einer Mutter ist nicht die Rede,

sondern vom Aufwachsen beim gestrengen Onkel, nicht beim Vater.

Auch das klingt nicht gerade nach heiler Welt.

Bekannt als Märchensammler ist auch

Ludwig Bechstein (1801 – 1860).

[zeigen Folie und Märchen Bechstein]

Was wissen wir von dem?

Geboren wurde er als unehelicher Sohn von Johanna Carolina Dorothea Bechstein

und einem Franzosen namens Louis Dupontreau.

Im Alter von 9 Jahren wurde er von seinem Onkel adoptiert und erst ab jetzt hieß er Bechstein. Und der Onkel ließ ihn später

eine Apotheker-Lehre absolvieren, doch das behagte unserem Märchensammler offenbar nicht sonderlich.

Ach hier also: k e i n e heile Welt.

Kommen wir zu Wilhelm Hauff (1802 – 1827)

[Folien zeigen und beide Hauff-Bücher].

Während Musäus und Bechstein heute etwas in Vergessenheit geraten zu sein scheinen,

ist gerade der extrem früh verstorbene Hauff vielen bekannt,

nicht zuletzt durch sein später verfilmtes „Wirtshaus im Spessart“.

Im Alter von 7 Jahren starb sein Vater in Stuttgart und die Mutter zog mit Wilhelm Hauff und seinen drei Geschwistern

zu ihrem Vater bzw. deren Großvater nach Tübingen.

Wieder also: Alles andere als eine unbeschwerte Jugend.

Kommen wir zu Hans Christian Andersen (1805 – 1875).

[Folie zeigen]

Er ist der bekannteste dänische Märchensammler und Märchendichter.

Vielleicht fällt Ihnen auf, dass ich das hier unterscheide:

Hier sehen Sie

[Buch zeigen]

die 1847 erschienene erste deutschsprachige Ausgabe

der Märchen, die Andersen selbst herausgegeben hat.

Und hier haben wir eine Angabe vom Autor selbst, welche Märchen er lediglich überliefert hat und welche von ihm selber „erdichtet“ wurden.

Genau wegen solcher Angaben sind alte Originale so wichtig.

Andersen war der Sohn eines verarmten und früh verstorbenen Schuhmachers

und einer alkoholkranken Wäscherin.

Bereits mit 14 Jahren schlug sich Hans Christian Andersen alleine durchs Leben

und heiratete übrigens nie.

Seine Märchen sind so bekannt, dass zur Erinnerung an ihn sogar in   C h i n a Briefmarken mit seinen Märchen-Motiven
erschienen sind

[China-Briefmarken Andersen zeigen],

und nach ihm sind wichtige internationale Kinderbuchpreise benannt;

aber a u c h bei Hans-Christan Andersen:

K e i n e s w e g s eine unbeschwerte Jugend.

Nur kurz streifen möchte ich an dieser Stelle die Märchen aus 1001 Nacht,

denn das ist ja eigentlich eine Sammlung morgenländischer Erzählungen.

Hier sehen Sie eine Überlieferung aus dem 15. Jahrhundert,

[Folie zeigen]

aber die Märchen aus 1001 sind ja Weltliteratur und beinahe „deutsches Kulturgut“ geworden.

Hier sehen Sie die seltene, 12-bändige Ausgabe aus dem Insel-Verlag aus dem Jahr 1907.

[Bücher zeigen]

Ungewöhnlich übrigens: Es ist ein sehr frühes Werk, das nicht in der damals gebräuchlichen altdeutschen Schrift

gedruckt wurde, sondern in lateinische Schrift. Sehr vorausschauend vom Insel-Verlag.Anders als bei Werken in altdeutscher Schrift kann man das hier auch heute ausgesprochen gut lesen.

Und jetzt kommen wir endlich zu den bekanntesten deutschen
Märchensammlern, den Brüdern Grimm,

deren Großmutter ich übrigens bei einer archäologischen Ausgrabungen vor über 30 Jahren in Steinau an der Straße sozusagen hautnah kennenlernen durfte.

Wenn Sie das interessiert, kann nachher dazu noch etwas ausführen.

Hier sehen Sie erst einmal ein Werk,

auf das ich ziemlich stolz bin:

[zeigen Grimm 1896]

Eine Ausgabe der Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm aus 1895/96 in einer sehr schönen Ausstattung

und hier eine schöne Ausgabe, nicht datiert,

die vor wohl in den 80er oder 90er Jahren des vergangenenJahrhunderts in der „Weltbild-Sammler-Edition“ erschienen ist.

Es handelt sich um einen Reprint der etwas späteren so genannten Säkular-Ausgabe um 1900 aus der Deutschen Verlags Anstalt in Stuttgart.

Man sieht auf einen Blick:

Die beiden Werke unterscheiden sich.

und letztlich bedeutet das:

Grimms Märchen gibt es in unterschiedlichen Fassungen.

Und das wiederum hat etwas mit den Lebensumständen der Brüder Grimm zu tun:

Erinnern wir uns: Ob Musäus, Bechstein, Hauff, Andersen oder auch Elsa Beskow – alle diese Märchensammlung und -dichter

hatten alles andere als eine unbeschwerte Jugend;

und bei den Brüdern Grimm war das nicht anders!

Ich zitiere den ersten Satz aus dem Vorwort von Margrit Fiederer zum Reprint der Säkularausgabe,

wobei sie den typischen Stil der Brüder Grimm nachahmte:

„Es waren einmal zwei Brüder, die verloren in jungen Jahren ihren Vater und lebten in ärmlichen Verhältnissen.“

Da haben wir es: Auch hier die Parallele zu den anderen Märchensammlern.

Auch hier nahm sich eine Verwandte, ihre Tante, der Brüder Grimm an und ermöglichte ihnen ein Studium.

Für mich – vielleicht auch für Sie – war überraschend aus dem eben benannten Vorwort:

Aus ihrer Jugend konnten sich die Brüder gerade mal an zwei, drei Märchen erinnern und auch das nur bruchstückhaft.

Ganz offensichtlich also waren sie   n i c h t
in einer heilen Welkt aufgewachsen, mit Vater, Mutter oder Großmutter, die Zeit zum Vorlesen hatten.

Und so drängt sich meines Erachtens die Vermutung auf:

Vielleicht haben sich all die hier Genannten d e s h a l b  mit Märchen befasst, weil ihre eigene Jugend, ihr eigenes Leben, eben
nicht märchenhaft war…

Gerade den Brüdern Grimm hat das Schicksal auch später übel mitgespielt:

Halten wir also fest: Sie selbst kannten aus ihrer Jugend kaum Märchen, schöpften also nicht aus dem Vollen.

Sondern die Dichter Clemens Brentano und Achim von Arnim hatten die Brüder Grimm sozusagen „angeheuert“, um ihnen bei der
Suche nach „alten deutschen Lieder“ – so nannte man das – zu helfen.

Die Sammlung der Märchen war also deren Job, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren.

Nach vier Jahren Arbeit schickten die Brüder Grimm im Jahre 1810 rund 50 Texte an Brentano – und der war plötzlich an dem
Thema nicht mehr interessiert. Ebenso dessen Kollege von Arnim. Der riet den
Brüdern, ihre Märchen nun selber zu veröffentlichen.

1812 erschienen die ersten Märchen – auf schlechtem Papier, bewusst extrem preiswert – und trotzdem waren die Märchen ein Flop.

Und Brentano äußerte sich auch noch abfällig über die Märchen der Brüder Grimm, verfasste einen Verriss. Die Texte seien „liederlich und versudelt“. Ein anderer Kritiker sprach von „wahrem Schund“!

Doch die Brüder Grimm gaben nicht auf, brachten mit kleinen Veränderungen mehrere kleine Auflagen ihrer Bücher heraus – widmeten sich aber nun überwiegend anderen Forschungsinhalten.

Den wirklich großen Erfolg ihrer Märchen – auch sie werden inzwischen zur Weltliteratur gezählt und zu den
meistgelesenen Büchern, die in zig Sprache übersetzt wurden, – haben die Brüder
nicht mehr erlebt.

Eines von Grimms Märchen jetzt vorzutragen, hieße Eulen nach Athen zu tragen.

Und deshalb, wenn Sie möchten, lese ich Ihnen jetzt gerne die ersten Seiten aus der Einleitung zu den Märchen von Wilhelm Hauff vor.

Es ist die Geschichte von der Prinzessin namens „Märchen“,

der die Menschen einst so gerne zugehört hatten,

bis ihre Tante namens „Mode“ dafür sorgte,

dass die Menschen an den Geschichten von Prinzessin Märchen kein Interesse mehr hatten…

Dass Sie jetzt diesen Kurzvortrag auf der homepage lesen oder zu meinem Vortrag ins Buch-Museum Nordstrand gekommen
sind, zeigt:

Beliebt sind Märchen auch heute noch!

Und wenn Sie jetzt die bereit liegenden Archiv-Handschuhe anziehen, können Sie gerne – natürlich vorsichtig – in diesen alten Bänden blättern.

Für Neuanschaffungen besonderer Bücher und für die laufenden Kosten, die so ein Buch-Museum verursacht, ist eine kleine Spende natürlich jederzeit sehr willkommen…