„Jurassic Park“ auf Nordstrand

Moin, moin,

so begrüßt sich man hier oben auf plattdeutsch.

„Hanoi?“ würde bei einer solchen Begrüßung
vielleicht jemand aus Baden-Württemberg verwundert fragen.

„So sacht mer halt hir obbe“, könnte ich dann auf hessisch antworten.

„De hamm ja all mitenand nemmer all beizamm“,
würde sich vielleicht ein Bayer denken.

„Gänsefleisch des mol erklärn?“ wäre möglicherweise
die Reaktion eines Sachsen.

Und in einer Mischung aus Kölner und Ruhrpott-Zunge,
ließe sich vielleicht jemand vernehmen:
„Ich han keen Zigg [Zeit], muss aufe Maloche (zur Arbeit)
un will zu Fuß nach Kölle jonn und vorher noch nach Aldi…

Dass man sich heute aus aller Herren Bundesländer
auf h o c h d e u t s c h versteht,

haben wir letztlich Martin Luther zu verdanken:

Als der aus dem Lateinischen die Bibel ins „Deutsche“ übersetzte,
entstand das erste auf (damaligem) hochdeutsch verfasste Buch;
d a s verstand dann jeder, egal aus welchem – heute würde man sagen – Bundesland er kam.

Und n o c h etwas ganz Wichtiges hat Luther gesagt:
„Man muss den Leuten aufs Maul schauen“.

Das bedeutet: Man muss s o miteinander reden,
dass man sich untereinander auch versteht;
und man muss die Leute „da abholen, wo sie sind“;
also an das anknüpfen, was sie kennen.

Ich nehme an, kaum einer unter uns ist schon einmal einem Saurier
oder sonstigen Lebewesen aus der Urzeit begegnet…;

aber fast jeder kennt, von Kino, Fernsehen oder DVD,
einen Film oder sogar alle drei Teile von Jurassic Park.

Das war ein Kassenschlager.
Und das wiederum zeigt:
Auch längst ausgestorbene Tiere können uns noch heute faszinieren.

Ich w e i s s : Manch einer wird bei der Ankündigung dieses Vortrags
mehr oder weniger heftig den Kopf geschüttelt haben:

Warum sollte man ausgerechnet hier bei uns, auf Nordstrand,
„auf den Spuren von Jurassic Park“ wandeln???

Dafür gibt es sogar z w e i Gründe!

Erstens: Ich habe hier auf Nordstrand für das Naturkunde- und Buch-Museum
Im Laufe von Jahrzehnten zum Teil wirklich sensationelle Funde zusammengetragen,
einige Repliken, also Nachbildungen,
aber auch viele O r i g i n a l e.

Und d a s hier ist der zweite Grund:

Das ist nämlich nicht „irgendein“ Knochen,
sondern ein Knochen eines Skelettes vom sogenannten Urpferd.

Und dieser Knochen wurde beim Fischfang als sogenannter Beifang
in der N o r d see gefunden.

Wenn man so will, dann lag quasi Jurassic Park auch bei uns „vor der Haustür“.

An einen solchen Fund kommt man natürlich nur mit sehr viel Glück:

Ich hatte diesen Urpferd-Knochen aus der Nordsee

– mit vielen Schleifspuren, weil er rund 50.000 Jahre lang auf dem
– Meeresboden herumgeglitten ist,

bei ebay entdeckt – aber er war zu teuer für mich.

Ich nahm dann mit der Anbieterin Kontakt auf und erfuhr:

Dieser Urpferd-Knochen war „irgendwie“ in ein kleines Museum nach Österreich gekommen.

Das Museum brannte ab, war sehr schlecht versichert,
und jetzt verkaufte man für den Wiederaufbau notgedrungen
einen Teil der bei dem Brand geretteten Exponate.

Und man bereit, mir diesen Urpferd-Knochen aus der Nordsee
für mein Museum kostenlos zu überlassen: Ich musste nur das Porto bezahlen…

Wie so ein Urpferd aussah, das zeigt dieser -1- Knochen natürlich nicht.

Hier deshalb eine ganz besondere Darstellung und kurz der Hintergrund:

In meinem Geburtsbundesland Hessen gibt es,
inzwischen UNESCO Weltkulturerbe,
die Ölschiefergrube Messel.

Dort entdeckte man schon vor über hundert Jahren
und vor allem ab den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts
ganz besonders gut erhaltene Fossilien,
darunter auch das weltbekannte Urpferdchen.

In der Nähe von Messel liegt Hanau,
dort gibt es – wie die Firma Degussa in Frankfurt –
eine Firma namens Heraeus, die Gold- und Silberbarren herstellt,
und die prägte in einer Sonderauflage
eine Darstellung des Urpferdchens auf ihre
1-Unzen-Feinsilber-Barren;
heute eine Rarität, denn die Herstellung dieses Barrens
wurde 2007 eingestellt.

Da die Darstellung sehr klein ist, hier (Buch, S. 97)
eine gute Abbildung aus „Hans W. Wolf, Schätze im Schiefer“,
Braunschweig 1988

So viel erst ,mal an dieser Stelle zum Urpferd
und zur Grube Messel; ich komme noch darauf zurück.

Dieser Knochen sollte zunächst ja nur belegen,
dass „Jurassic Park“ sozusagen auch bei uns vor der Haustüre lag.

Jetzt erst einmal ein paar andere Versteinerungen,
die nicht von hier stammen, aber von hier stammen k ö n n t e n:

– ein sehr großes, rd. 7, Kilo schweres versteinertes Baumstück
– eine versteinerte Baumscheibe, die die Jahresringe gut zeigt
– ein versteinertes Teil eines Mammutbaumes, mit fast 100 m Höhe der größte Baum der Welt
– ein versteinerter Seestern
– eine versteinerte Auster
– eine versteinerte Kamm-Muschel-Art
– ein versteinerter See-Igel
– eine versteinerte See-Lilie
– eine versteinerte Koralle (es g a b in der Nordsee Korallen, die sahen aber anders aus und ich versuche gerade, aus Dänemark ein solches Objekt zu beschaffen)
– versteinerte Überreste von Verwandten der Tintenfische
– ein „Nautilus“ und ein großer Ammonit, das waren „Kopffüßler“
– und hier etwas ganz Besonderes,

mit dem man gut zeigen kann,
dass man sich bei der Beschaffung solcher Versteinerung
leicht auch hinters Licht führen lassen kann:

Das hier sollte das versteinerte Ei eines Urzeit-Insektes sein;
ziemlicher Unsinn, aber ich habe das angebliche versteinerte Insekten-Ei
trotzdem bei ebay ersteigert.
Es handelt sich um einen Trilobiten, seit langem ausgestorben.

Tri-lobit leitet sich ab vom lateinisches tres = drei:
Das Tier hatte, wie man hier sieht, einen dreigeteilten Körper, daher der Name.

Vor Jahrmillionen war dieser Trilobit, ein Meeresbewohner, gestorben
und die sterblichen Überreste sanken auf den Meeresgrund.
Vereinfacht ausgedrückt: Da lag jetzt also etwas,
im Meer „waberte“ auch anderes herum
und das verfing sich nun in den Überresten des Trilobiten.
Immer mehr „Material“ setzte sich im Laufe von Zehn- oder Hunderttausenden
oder gar Jahrmillionen Jahren rund um diesen Trilobiten-Überrest ab
und da das Tier eine ovale Form hatte,
entstand so im Laufe unendlich langer Zeit
eine Art „Knolle“…
… und deren Form sieht natürlich einem Ei ähnlich.
Und da sich i n dem Ei etwas befand – die Überreste des Trilobiten –
kam es zu dem Irrtum, es handle sich um ein versteinertes Insekten-Ei.

Ein kleiner Gedankensprung:

Eingangs hatte ich bereits Martin Luther erwähnt,
der mit der Übersetzung der Bibel sozusagen unser Hochdeutsch „erfunden“ hatte.

Und gerade, was Fossilien und Urzeit-Tiere wie die Saurier angeht,
sorgte eine f a l s c h e Auslegung der Bibel für einen Irrtum,
den man heute kaum für möglich halten würde:

In der Schöpfungsgeschichte erfahren wir von Adam und Eva;
und deren Nachfahren: Dieser „zeugte“ jenen, der wiederum den nächsten usw. usw.

Nun wurde im Jahre 1581 in Dublin ein James Ussher geboren,
der wurde später Theologie-Professor und Erzbischof
und errechnete aufgrund der genealogischen Angaben in der Bibel
ab Adam und Eva,

dass Gott die Welt auf den Tag genau am 23. Oktober 4004 v. Chr. geschaffen hatte.

Natürlich hatte Gott auch alle Pflanzen und Tiere selbst geschaffen,
genau so und nicht anders, wie sie unveränderlich von jeher waren;
und das natürlich ebenfalls am 23. Oktober 4004 v. Chr.

Würde man das heute noch – anno 2015 – glauben,
dann gäbe es nichts auf der Erde,
was älter ist als 6019 Jahre!

Und was dieser Erzbischof im 17. Jahrhundert in seinem Buch
über die Weltschöpfung dogmatisch behauptet hatte,
das galt selbst noch zu Zeiten beispielsweise eines Charles Darwin!

Schauen wir uns noch einmal diesen Urpferd-Knochen aus der Nordsee an:
Er ist rund 50.000 Jahre alt;
und das Messeler Urpferdchen – nur etwa so groß wie ein Hund –
ist noch wesentlich älter.
Doch bis Mitte des 19. Jahrhunderts gab es nichts,
was laut Kirche älter sein konnte als maximal 5854 Jahre…

Ein riesiges Problem für Naturforscher und Entdecker gerade von Fossilien!
Und so hielt sich rund um Fossilien hartnäcktig ein Aberglaube,

der beispielsweise einen Belemniten wie diesen hier
für einen „Donnerkeil“ hielt:

Wenn der germanische Gott Donar es blitzen und donnern ließ
und es irgendwo einschlug, dann entstand, wie man dachte,
ein solcher Donnerkeil.

Tatsächlich handelt es such um den versteinerten härtesten Teil,
am Hinterleib, eines Verwandten unseres Tintenfisches.

Was tatsächlich passieren kann,
wenn es – in Sand, wie er auch bei uns vorkommt – einschlägt,
das kann man hier sehen:

Das ist eine Blitzröhre!, wenn man so will: Das ist tatsächlich eine Art „Donnerkeil“:

Ein Blitzstrahl ist an der Spitze ziemlich klein,
hat aber eine extrem hohe Energie.
Wenn ein Blitz in den Sandboden einschlägt,
dann verdampft –je nach Blitzstärke –
auf mehr oder weniger kleiner Fläche bis in einigen Zentimeter Tiefe dieser Sand.
Es entsteht also ein Loch im Sandboden
und der äußerste Rand rund um dieses Loch
verkrustet dann sozusagen: Direkt neben dem Loch ist es ja
durch den meist nassen Sand kalt.
Dadurch bleibt das durch Blitzeinschlag entstandene Loch erhalten;
oft verfüllt es sich mit dem nicht verdampften Sand neben dem Loch,
der im Laufe der Zeit in dieses Loch hineinrieselt.

Man sieht also: Hier ein „Donnerkeil“ laut Aberglaube;
und hier ein „Donnerkeil“ laut Wissenschaft…, also eine Blitzröhre.

Ich erwähnte schon:
Das Dogma von Erzbischof Ussher hatte es den Forschern sehr schwer gemacht.

Das hier sind zwei Zähne eines „Mosa-Saurus“:
Ein Mal so, wie man sie „in situ“, in seinem Umgebungsgestein, findet
und ein Mal so, dass der einzelne Zahn herauspräpariert wurde.

Ein Mosa-Saurus war erstmals 1770 in der Nähe von Maastricht gefunden worden;
Es dauerte bis 1822, dass eine erstmalige wissenschaftliche Beschreibung erfolgte,
und selbst dann setzte sich erst nach und nach die Erkenntnis durch,
dass dieses Tier weit älter war als maximal rund 5800 Jahre
und dass es sich n i c h t um Überreste eines Lebewesens handelte,
das mit noch lebenden Tieren verwandt war,
sondern dass es sich um das erste Urzeit-Tier einer ausgestorbenen Art handelte.

Ich erwähnte schon als Fundort Maastricht, das ist „an Land“.
Diese, meine, Mosa-Saurus-Zähne stammen aus der Wüste in Marokko.
Der Mosa-Saurus war allerdings ein Reptil, das im M e e r lebte.
Wenn man Überreste eines Meeresbewohners nunmehr an Land und in der Wüste findet,
dann zeigt das:

Nicht nur im Laufe von rund 6.000 Jahre – Stichwort: Bischof Ussher –
sondern erst recht im Laufe von Jahrmillionen hat sich unsere Erde gewaltig verändert.

Hierfür ein weiteres, wie ich finde: noch spannenderes, Beispiel:

Das hier ist kein Original, sondern eine originalgetreue Nachbildung
eines Kolibris, der vor ungefähr 32 Mio. Jahren in D e u t s c h l a n d lebte!

Vor rund 15 Jahren wurden die versteinerten Überreste dieses Kolibris
in einer Tongrube bei Wiesloch in Rheinland-Pfalz entdeckt.

Kolibris gab und gibt es nur in Amerika – dachte man früher.

Dieser Fund war extrem überraschend und deshalb hat
dieser deutsche Kolibri auch einen ganz besonderen Namen.
Trochilus ist die lateinische Bezeichnung für einen Kolibri.
E u r o -Trochilus soll deutlich machen, dass es ein Kolibri aus E u r o p a ist.
Und der Zusatz Eurotrochilus i n e x p e c t a t u s – lateinisch: unerwartet –
soll deutlich machen, dass die Wissenschaft mit einem deutschen
bzw. europäischen Kolibri überhaupt nicht gerechnet hatte.

Dass das die Überreste eines Kolibris sind, kann man – zugegeben –
als Laie kaum erkennen: Was auf dieser unglaublich bedeutsamen Replik
zu sehen ist, das könnte man auch für Vogelkot oder die zufällige Form
von Moosen oder Flechten handeln.
Experten im weltberühmten Senckenberg-Museum/Frankfurt haben
jedoch keinen Zweifel, dass das ein Kolibri ist – und zwar der bislang
einzige Fund dieser Art in Europa.

Jetzt ein paar – einigermaßen kurze – Ausführungen dazu,
wie es kam und woher man eigentlich weiß, wie Urzeittiere aussahen,
die vor Jahrmillionen ausgestorben waren.

Dazu möchte ich zunächst auf etwas hinweisen,
was nun gar nicht naheliegend ist.

Nehmen wir einmal an, Sie hatten einen Goldhamster,
der ist verstorben und Sie bestatten ihn bei sich im Garten.
Und nehmen wir außerdem einmal an, später verstirbt auch ihr Schäferhund
und den bestatten Sie ebenfalls im Garten.
Würden sie ihre beiden einstigen Lebenspartner bzw. Haustiere
aus irgendeinem Grund einige Jahre später ausgraben,
dann wäre die Wahrscheinlichkeit größer,
dass Sie eher die sterblichen Überreste Ihres großen Schäferhundes finden
als die wesentlich kleineren Ihres Goldhamsters.

A b e r wie sähe das Jahrmillionen Jahre später aus?:

Im Laufe dieser Jahrmillionen hat das Eis während der Eiszeiten
tonnenschwere Gesteinsbrocken hunderte und tausende Kilometer weit
von a nach b transportiert;
wo einst Wasser war, war später Land und umgekehrt
und einst ebene Landschaften wurden zu hohen Gebirgen aufgefaltet.
Versteinerte Meeresbewohner kann man deshalb auch in der Wüste
oder in heutigen Gebirgsregionen finden

So viel in aller Kürze, um aufzuzeigen:

Was einst tief unten an Stelle a lag,
kann später ganz oben an eine ganz andere Stelle b gelangt sein.

Dass sich Überreste von Pflanzen und Tiere über Jahrmillionen
überhaupt erhalten haben, dazu bedurfte es besonderer günstiger Umstände.

Je g r ö ß e r jedoch solche Überreste sind,
je größer ist die Wahrscheinlichkeit,
dass sie beim Versetzt-Werden von a nach b und von unten nach oben
– oder umgekehrt – in unzählig viele Teile auseinandergerissen werden
und die einzelnen – sagen wir einmal – Puzzle-Teile weit verstreut liegen.
Manche dort, wo sie dank besonderer günstiger Umstände erhalten bleiben;
andere leider dort, wo sie in so kleine Teile zerfallen, dass aus ihnen
kein großes Ganzes mehr rekonstruierbar ist.

Hier zwei Beispiel für das, was ich meine:
Dieser mittelgroße Ammonit ist ganz gut erhalten,
aber eben nur weitgehend;
diese wesentlich kleineren Ammoniten,
der mit „Katzengold“ überzogene von der Jurassic Coast/Großbritannien
und der andere, „opalisierende“ Ammonit von der Schwäbischen Alb,
sind dagegen – eben w e i l wesentlich k l e in e r – fast perfekt erhalten.

Vielleicht konnte ich das in aller Kürze deutlich machen:

Wenn von Ihrem Hamster und von Ihrem Hund nach Jahrmillionen Jahren
dank glücklicher Umstände überhaupt noch etwas erhalten ist,
was man noch als solches e r k e n n e n kann,
dann eher von dem Hamster als von dem Hund.

Fossilien g r o ß e r Urzeittiere findet man nur selten, oder gar nicht, komplett.

Oft ist die Wissenschaft deshalb auf Rekonstruktionen angewiesen;
und das kann äußerst problematisch sein:

Das möchte ich an diesem Original-Zahn eines Megalodon verdeutlichen,
eines riesigen Urzeit-Haies.

Dieser Zahn ist stolze 10,7 cm groß; es gibt aber noch prächtigere Exemplare,
die 18 cm groß sind.
Der Megalodon ist ausgestorben; aber möglicherweise mit dem Weißen Hai
– auch d e n Spielfilm kennen Sie wohl alle – verwandt.

Wie ein Weißer Hai aussieht, weiß man,
auch wie groß dessen Zähne sind.
Jetzt kann man das Wissen über Zähne und Körpergröße des Weißen Hais
auf den Megalodon übertragen und allein aus der Größe seiner Zähne
seine Gesamtgröße ableiten.
Dann wäre der Urzeit-Hai etwa 20 bis 30 m lang gewesen.

Und jetzt wieder etwas Anschauliches:

Hier ist ein Originalkopf eines kleinen Hais, beachten Sie vor allem seine Zähne.
Und jetzt bekommen Sie – wenn Sie diesen Zahn eines Megalodon betrachten –
eine Vorstellung, wie gigantisch und furchteinflößend der Urzeit-Hai war!

Aber wie gesagt: Das mag realistisch sein, aber es ist Rekonstruktion, Annahme!

Ich sprach schon generell von ganz besonderen Glücksfällen,
durch die Urzeit-Tiere und -pflanzen bzw. deren Fossilien erhalten geblieben sind.

Und dann gibt es noch sozusagen „Glücksfälle mit Sternchen“:

Die Funktion dieses einen Glücksfalls mit Sternchen kennt jeder,
der zu Hause eine Gefriertruhe hat.

In Sibirien und in der Ant-/Arktis beispielsweise
gab und gibt es den Perma-Frost,
die Temperaturen dort lagen und liegen dauerhaft unter 0 Grad.
Dort konnten also verstorbene Tiere durch den Dauerfrost
zum Teil sogar in toto, komplett, erhalten bleiben.
Hier -1- Beleg dazu, ein Mini-Teil von einem Mammut.

Vergleichbares gab es in trockenen, heißen Wüsten,
von dort stammen meine beiden Mosa-Saurus-Zähne.

Es gibt also tierische und pflanzliche Überreste von Urzeit-Lebensformen,
die entweder tiefgefroren oder mumifiziert wurden.

Außerdem haben sich die A b d r ü c k e von Urzeit-Lebewesen
in Stein erhalten. Das ,funktioniert’ jedoch nicht bei allen Steinen.

Besondere gute Bedingungen bot – aufgrund seiner Beschaffenheit –
der „Plattenkalk“ bei Solnhofen und Eichstädt.

Nur am Rande erwähnt sei – das würde sonst zu weit führen –,
dass man diese einzigartig guten Versteinerungen im Zuge des Buchdrucks fand:
Für den damaligen Steindruck eignete sich
der Solnhofener Plattenkalk besonders gut.
Er wurde nahezu „industriell“ gewonnen
und dabei stieß man unter anderen auf den Urvogel, den Archaeopteryx.
Hier sehen Sie eine originalgetreue Replik des berühmtesten
Urvogels vom Blumenberg, der besterhaltene, der bislang je entdeckt wurde,
das für Darwins Lehre so wichtige einstige missing link,
das Bindeglied zwischen Sauriern/Reptilien und Vögeln.

Und hier sehen Sie nun einzigartige Originale aus Solnhofen/Eichstädt:

– einen Käfer
– eine Libelle – in der Urzeit gab es Libellen mit über 2 m Spannweite!
– Und hier – in meinen Augen ein absolutes „Kuriosum“ – eine versteinerte Eintagsfliege, Jahrmillionen alt. Man kann sogar mit bloßem Auge die Flügl-Äderung erkennen!

Aber selbst so etwas kann noch übertroffen werden;
durch Funde aus der Grube Messel.

Der Grund: Es handelt sich um eine Ö l schiefergrube.

Auch in „normalem“ Schiefer kann man Fossilien finden,

Öl-Schiefer jedoch hat einen Feuchtigkeitsanteil (Wasser und Öl) von 40%.

Fachleute würden bei der Formulierung
die Hände über dem Kopf zusammenschlagen,
aber ich beschreibe das trotzdem mal so:

Öl-Schiefer ist sozusagen ein „elastisches“ Gestein,
so dass, anders als bei allen anderen Gesteinen,
selbst die filigransten Feinheiten erhalten geblieben sind.

Aus zwei guten Gründen habe ich jedoch nur naturgetreue Nachbildungen:
Erstens sind die Originale unbezahlbar, selbst wenn ich kein Rentner wäre;
Originale kosten viele tausend Euro.

Und zweitens:

Wieder taugt diese Formulierung nicht nur Fachleute:
Selbst die Originale von Messel sind nur bedingt Originale:

Wegen des hohen Feuchtigkeitsgehaltes zerbröseln einem
die Originale aus Messel unter den Fingern, sobald sie anfangen auszutrocknen.

Man muss die Originale also in Gießharz umbetten,
nur so bleiben sie erhalten.
Aber Originale in G i e ß h a r z sind für mich als „Puristen“
eben nur noch bedingt wirkliche Originale;
und die in einem Spezialverfahren hergestellten Repliken
kommen den Originalen schon sehr, sehr nahe.

Hier nun sehen Sie solche Repliken und zwar Überreste

– einer Fledermaus
– eines kleines Barsches
– des „Messel-Vogels“, offenbar eine Rallen-Art,
– einer Boa, also einer Riesenschlange, hier als Baby
– und eines „Krokodils“ oder besser Kaimans, der übrigens nach Charles Darwin benannt ist.

Und hier kleine Originale:

Zähne und Teile des Beinpanzers eines solchen Urzeit-Kaimans.

Und es gibt n o c h eine Möglichkeit, wie sich Urzeit-Lebewesen über Jahrmillionen erhalten haben:

Wenn sie in Bernstein eingeschlossen wurden.

Hier ein sensationelles Original:

Zwei Fliegen (für Erwachsene: „in copula“) in einem Bernstein aus dem Baltikum.

Und genau solche Originale in Bernstein lieferten die Grundidee für

1. Arthur Conan Doyles Buch „Die verlorene Welt“
– hier die einzige schöne deutschsprachige Ausgabe von 1926;
den Autor kennen die meisten nur als Erfinder der Figur des Sherlock Holmes,

und 2. für den anfangs erwähnten Kino-Kassenschlager: Jurassic Park.

Erinnern Sie sich aus dem Film noch an die Stelle,
als eine Wasserpfütze „bebte“, weil sich etwas ungeheuer Großes näherte
und den Boden erzittern ließ?

Was dann ins Bild kam, war ein T-Rex, eine Tyrannosaurus Rex,
eine „schreckliche Echse“.

Hier sehen Sie eine naturgetreue Nachbildung eines
Zahnes von diesem „Ungetüm“.

Und erinnern Sie sich noch an die Nahaufnahme vom Fuß
eines „Velociraptors“, an dessen messerscharfe Klauen?

Das hier ist eine naturgetreue Nachbildung einer solchen
Velociraptor-Klaue.

Und nochmals zurück zum Urpferd-Fossil aus der Nordsee:

Die allermeisten unserer heutigen Tiere, wie beispielsweise das Pferd,
hätten nie eine Überlebens- und Entwicklungschance gehabt,
wenn nicht zuvor die Saurier ausgestorben wären.

So weit dieser Vortrag. Vielleicht ist es mir gelungen, anschaulich zu machen,
wie spannend Geschichte und insbesondere die Naturgeschichte sein kann.

Und wann immer und wo auch immer Sie unterwegs sind:
Gehen Sie mit offenen Augen durch die Welt.

Beispielsweise Bernstein kann man auch bei uns, hier auf Nordstrand, finden:
Am dritten Tag nach meinem Umzug aus dem Rhein-Main-Gebiet fand
ich nach einem Sturm diesen Bernstein bei Fuhlehlörn. Er lag mitten auf dem Weg.
Viele, die vor mir dort entlang gegangen waren, müssen ihn einfach übersehen haben.

Nach so einem Fund soll man 7 Jahre lang Glück haben,
hatte ich.
Aber die 7 Jahre sind leider um – und jetzt hoffe ich auf den nächsten Bernstein:

Wer so ein Naturkunde- und Buch-Museum betreibt,
der ist auf etwas Glück a n g e w i e s e n …