Münze stellt Frage in den Raum: Nahm Caesar seine Tötung zumindest „billigend in Kauf“?

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

alles, was der Mensch für „wissenschaftlich erwiesen“ hält, gilt nur bis zum Beweis des Gegenteils. Diese Bemerkung muss ich ganz bewusst den nachstehenden Gedanken voranstellen: Denn was, an den Iden des März’ anno 44 v. Chr. „wirklich“ geschehen war, wissen wir nicht.

Wer in diesem Zusammenhang auf Bertold Brecht verweist, dem stimme ich zunächst vollinhaltlich zu: „Immer schreibt der Sieger die Geschichte der Besiegten.
Dem Erschlagenen entstellt der Schläger die Züge.
Aus der Welt geht der Schwächere und zurück bleibt die Lüge.“

Bei den Vorgängen anno 44 v. Chr. war der Fall – lassen Sie mich das so formulieren – jedoch weitaus „verzwickter“:

Der „Erschlagene“, hier: der Erstochene, war Caesar; einer der „Schläger“ = „Mörder“/ zumindest (Mit-)Täter war Brutus. Wie das Geschehen nach den Iden des März zeigte,

ging mit Caesar nicht der Schwächere aus der Welt; und sofern eine „Lüge“ zurückblieb,

hatte sie nur wenig mit „unserem“ Brutus zu tun; denn der überlebte Caesars Tod nur kurze Zeit und hinterließ nicht als Sieger eine „Geschichte der, bzw. des, Besiegten“.

Aber Brutus  und sein Adoptivvater*)  h a b e n   etwas hinterlassen: Münzen; und  d i e  werfen in meinen Augen hochinteressante Fragen auf:

*) Bei der im Kontext m.E. entscheidenden Münze folge ich der Numismatik, die sie  Caesars Adoptivvater, zugleich allerdings dem  Jahre 54 v. Chr. zuschreibt. Da Caesars Adoptivvater bereits 67 v. Chr. starb, hatte diese Münze, die auf der einen Seite nur „Brutus“ nennt, möglicherweise ,unser’ Brutus prägen lassen; dann wäre deren Bedeutung i Zshg m Caesars gewaltsamem Tod noch relevanter.

Gestatten Sie mir bitte an dieser Stelle einen kleinen ,Exkurs’:

In einem wissenschaftlich fundierten Beitrag müsste ich Originalquellen zitieren; dies noch dazu quellenkritisch;

und ich bin weder Numismatiker, noch Experte für römische Geschichte.

Nun wissen wir alle, wie verbreitet es heutzutage ist, statt Originalquellen zu beschaffen und kritisch zu hinterfragen, einfach zu „googeln“; gleich um welches Thema es geht.

W e n n  Wissenschaft aus ihrem „Elfenbeinturm“ herauskommen will [auch um deutlich zu machen, welche Bedeutung die Erkenntnisse wissenschaftlicher Forschung auch für „Otto Normalverbraucher“ haben

(bzw. haben können)], dann leite  i c h  jedenfalls daraus ab: Aufgabe von Forschung und Lehre wäre seit langem schon, mit Blick auf die immer weiter wachsende Bedeutung des Internets als einfachst zugängliche „Basisinformation“ für hierzulande nahezu jedermann/-frau, etwaige Fehler auch  d o r t  richtigzustellen,

wo sie möglicherweise verbreitet werden.

Bei den nachstehenden Gedanken stütze ich mich, und räume das ausdrücklich ein, auf  „g e g o o g e l t e “  und bislang dort nicht widersprochene Tatsachenbehauptungen, die dank Angabe jener „Quellen“

von nahezu jedermann/-frau jederzeit nachgeprüft werden können.

Soweit nachstehend englische Textpassagen zitiert werden, sei darauf hingewiesen, dass sich a.a.O. in den meisten Fällen eine, mitunter nicht sehr gelungen erscheinende, Übersetzung anklicken lässt.

Ich wäre dankbar für jeden Hinweis von wem auch immer, ob es – was die nachstehend abgebildete Münze anbetrifft – etwas Vergleichbares gibt:

bild1Zu diesem Denar (die Abbildung dieser Replik wie alle anderen Abbildungen stammt aus meinem Archiv) findet sich [mit Quellenangabe Hans-Joachim Gehrke „Römische Münzen“, Frankfurt/Main 1990, Begleitheft, S. 13] im Internet auf der Seite www.ewetel.net ein Beitrag von Martin Bode/Teletta-Groß-Gymnasium/Leer) unter „Die Iden des März“:

„Es handelt sich um eine Münze des Caesarmörders M. Iunius Brutus; sein Münzmeister ist L. Plaetorius Cestianus. Der Bart (auf dieser Münze nur schwer zu erkennen) ist Zeichen der Trauer um die Republik (Brutus hat sich deswegen einen Bart stehen lassen), schon dadurch verrät sich die Münze als anticaesarisch-republikanisch. Noch mehr gilt das für die Rückseite: Die Dolche weisen, gemeinsam mit der Legende ,Eidibus = Idibus Martiis‘, auf die Ermordung Caesars. Wie die Mörder diese Tat darstellten  – und auf welcher Grundlage sie sich ihrer rühmten –, zeigt der pileus in der Mitte. Es ist die Filzkappe, die ein Sklave als Zeichen seiner Freilassung erhielt. Die Caesarmörder haben Rom also von einer sklavereiähnlichen Unterdrückung befreit […], , und eine solche ist – nach griechisch-römischer Vorstellung – die Unterdrückung durch einen Tyrannen, das Musterexemplar eines illegitimen Herrschers. Caesar als Tyrann, seine Mörder als Tyrannenmörder – genau dies war die Ideologie der Verschwörer, die ihre Tat damit vor der Öffentlichkeit in einem besonders hellen Lichte strahlen lassen wollten.“ [Zitatende]

Es mag wohl daran gelegen haben:

Als Schüler auf dem einst altsprachlichen Landgraf-Ludwigs-Gymnasium/Gießen hatte ich mich mit Caesars „De bello Gallico“ nolens volens befassen müssen; und irgendwie hatte Caesar großen Eindruck auf mich gemacht. Rund 50 Jahre später war ich deshalb nahezu schockiert, als ich auf diese Münze stieß; denn: „Tyrannenmord“ war in meinen Augen die eine Sache, sich damit jedoch durch eine Münz-Prägung auch noch zu brüsten, das erschien mir dagegen als eine ganz andere Sache.

Trotz aller gleichsam moralischer Bedenken, mir eine Replik einer solchen „Mörder-Münze“ zu beschaffen [es existiert lt. o.a. „Quelle“ mit gleichem Münzbild auch ein Aureus,

eine Goldmünze, aus dem Jahre 43/42 v. Chr., die m.W. bei einer Auktion einen hohen fünfstelligen Betrag erzielte*), war meine etwa 10 € teure Münz[-Kopi]e für  e i n e s  gut:

Wenn Sie laut Numismatik zweifelsfrei „unserem“ Brutus zugeordnet werden konnte, dann gab es an dessen Mit-Täterschaft beim gewaltsamen Tod von Caesar keinen vernünftigen Zweifel mehr.

*) Eine goldene „Brutus“-Münze des ,Mittäters’ Casca, der als erster zugestochen haben soll, erzielte m.W. sogar einen Preis von mehr als 500.000 $

Mir erschien es nur folgerichtig, mir nach dieser „Mörder“-Münzkopie nun auch eine Kopie der „Opfer-Münze“ zu beschaffen; natürlich jene, die im Münzbild Caesars Wappentier zeigte: einen Elefanten (der auf dem Münzbild eine Schlange zertritt), geprägt um 49/48 v. Chr.:

bild2Und dann stieß ich,

über Caesar’ auf eine Münze, die auf ersten Blick rätselhaft erschien und

auf den zweiten Blick in meinen Augen sensationell ist:

bild3bild4

Entscheidend dabei war das Prägedatum (54 v. Chr.) dieser rd. 3,5 Gramm schweren Silbermünze von Brutus; deren eine Seite (L. Junius) Brutus zeigt und die andere (Caius/Gaius Servilius) Ahala.

An dieser Stelle zitiere ich den englischsprachigen Wikipedia-Beitrag über Ahala. [Die eckigen Klammern bedeuten nicht, dass auf einzelne Textteile im zitierten ,Original’ verzichtet wurde; es wurde nur (wie auch bei späteren Zitatwiedergaben) auf die Anmerkungen verzichtet]:

„Gaius Servilius Structus Ahala was a 5th-century BC politician of ancient Rome, considered by many later writers to have been a hero. His fame rested on the contention that he saved Rome from Spurius Maelius in 439 BC by killing him with a dagger concealed under an armpit. This may be less historical fact and more etiological myth, invented to explain the Servilian cognomenAhala„/“Axilla“, which means „armpit“ and is probably of Etruscan origin. […] As related by Livy and others, Ahala served as magister equitum in 439 BC, when Cincinnatus was appointed dictator on the supposition that Spurius Maelius was styling himself a king and plotting against the state. During the night on which the dictator was appointed, the capitol and all the strong posts were garrisoned by the partisans of the patricians. In the morning, when the people assembled in the forum, with Spurius Maelius among them, Ahala summoned the latter to appear before the dictator; and upon Maelius disobeying and taking refuge in the crowd, Ahala rushed into the throng and killed him. […] This is mentioned by several later writers as an example of ancient Roman heroism, and is frequently referred to by Cicero in terms of the highest admiration;[6] but was regarded as a case of murder at the time. […] Ahala was brought to trial, and only escaped condemnation by going into voluntary exile. […] Livy passes over this, and only mentions that a bill was brought in three years afterwards, in 436 BC, by another Spurius Maelius, a tribune, for confiscating the property of Ahala, but that it failed. […] A representation of Ahala is given on a coin of Marcus Junius Brutus, the murderer of Julius Caesar, but we cannot suppose it to be anything more than an imaginary likeness. Brutus claimed (perhaps baselessly) that he was descended from Lucius Junius Brutus, the first consul, on his father’s side, and from Ahala on his mother’s, and thus was sprung from two tyrannicides. […] The head of Brutus on the annexed coin is therefore intended to represent the first consul. Plutarch says, in his life of Brutus, that Brutus‘ mother Servilia was a descendant of Servilius Ahala, and the ancestral example was an inspiration for his assassination of Julius Caesar.”

Und zu dem im zitierten Text erwähnten Spurius Maelius findet sich a.a.O.:

„Spurius Maelius (died 439 BC) was a wealthy Roman plebeian who was slain because he was suspected of intending to make himself king. […] During a severe famine, Spurius Maelius bought up a large amount of wheat and sold it at a low price to the people of Rome. According to Livy, Lucius Minucius Augurinus, the patrician praefectus annonae (president of the market), thereupon accused him of collecting arms in Maelius‘ house, and that he was holding secret meetings at which plans were being undoubtedly formed to establish a monarchy. The cry was taken up. Maelius, summoned before the aged Cincinnatus (specially appointed dictator), refused to appear, and was slain by the Master of the Horse, Gaius Servilius Ahala. Afterward his house was razed to the ground, his wheat distributed amongst the people, and his property confiscated. The open space called the Equimaelium, on which his house had stood, preserved the memory of his death along the Vicus Jugarius. Cicero calls Ahala’s deed a glorious one, but, whether Maelius entertained any ambitious projects or not, his summary execution was an act of murder, since by the Leges Valeria Horatiae the dictator was bound to allow the right of appeal.”

Halten wir also fest – und bei dieser Parallele muss man sich auch im übertragenem Sinne „festhalten“:

Rund 400 Jahre vor Caesar und  w i e  Caesar geriet Spurius Maelius in den Verdacht, nach der ,Königswürde’ zu trachten. Wie Caesar wurde er  e r d o l c h t ; von jenem Ahala, von  dem Brutus vorgab, mit diesem verwandt gewesen zu sein. Und 10 Jahre (54 v. Chr.) vor Caesars gewaltsamem Tod (44 v. Chr.) erinnerte der Adoptivvater des späteren Mit-Täters Brutus genau an diesen Vorfall – nicht in Reden, die unzutreffend wiedergegeben worden sein könnten, sondern – damals wie beute nachweisbar, sofern man der Numismatik folgt, – durch eine in einigen Exemplaren bis heute noch erhaltene Münze.

Und in meinen Augen lässt das Brutus’ „Mörder-Münze“  n a c h  Caesars Tod in einem gänzlich anderen Licht erscheinen: Es drängt sich m.E. auf, dass mit jener Münze aus dem Jahre 54 v. Chr. die Tat gleichsam  a n g e k ü n d i g t  hatte.  Caesar und all jene, die auch in den Iden des März 44 v. Chr. noch zu ihm standen, hätten also vor einem Mann wie Brutus gewarnt sein müssen. Und aus meiner, zugegeben subjektiven, Sicht der Dinge wird Brutus (und werden ebenso dessen Anhänger) durch genau diese Münze ,ein Stück weit’ „rehabilitiert“:

Seit dem 1.1.1975 ist in Deutschland Mord in § 211 wie folgt definiert:

„Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, einen Menschen tötet.“

Alle benannten Kriterien niedriger Beweggründe scheiden im „Tötungsfall Caesar“ aus; ebenso m.E. Heimtücke: Wie Brutus’ Münze aus dem Jahr 54 v. Chr. belegt, war bekannt, was demjenigen drohte, der die ,Diktatur’ anstrebte. Und noch ein Kriterium scheidet aus: Die beabsichtige Wiederherstellung der ,Republik’ durch Caesars Tod sollte weder eine andere Straftaten verdecken, noch sie ermöglichen; sondern sollte eine (politische) Straftat, begangen von Caesar, verhindern. Was aus meiner Sicht der Dinge somit bleibt, ist die Frage, ob Caesars gewaltsamer Tod „grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln“ herbeigeführt worden war. Nun: Wer erdolcht werden soll oder wird, der wird das in den allermeisten Fällen als grausam empfinden.

Fraglos wird diese Einschränkung „in den allermeisten Fällen“ zunächst überraschen. Doch  genau hier setzen meine Gedanken zum „Tötungsfall Caesar“ an; wiederum beziehe ich mich auf einen Wikipedia-Beitrag, aus dem hier nur auszugsweise zitiert wird, weil der Beitrag erstens sehr umfangreich und zweitens auf einfachste Weise im Internet auffindbar ist.

Ich beginne mit einem m.E. nur vermeintlich nebensächlichen Aspekt: dem Alter von Caesar. Als sein Geburtsdatum gilt der 13.7.100 v. Chr. In den Iden des März 44 v. Chr., als er getötet wurde, wäre Caesar 55 Jahre alt gewesen. Auf www.imperium-romanum.info/wiki/index.php?title=Lebenserwartung mit Quellenverweis auf Karl-Wilhelm Weeber, Alltag im alten Rom – Das Leben in der Stadt, 7. Auflage 2003; Bruce Frier, Roman life expectancy: Ulpian´s evidence, 1982, findet sich die Tatsachenbehauptung zur damaligen Lebenserwartung:

„Die römische Gesellschaft war jung, dass Durchschnittsalter lag unter 25 Jahren, nur etwa 25 % der Bevölkerung war über 40 Jahre alt, unter 15 waren hingegen mehr als ein Drittel. Der Anteil der Über-60jährigen muss mit unter 5 % veranschlagt werden.“

Möglicherweise jedoch, wie aus nachstehendem Zitat (a.a.O.) hervorgeht, war Caesar bereits 102 v. Chr. geboren worden und damit zum Zeitpunkt seines Todes bereits 58 Jahre alt; was, mit Blick auf die zuvor zitierte Textstelle, für die damalige Zeit ein recht hohes Alter darstellt:

„Caesar war beim Amtsantritt 40 Jahre alt, unterschritt das in Sullas Lex de magistratibus aus dem Jahr 81 festgelegte Mindestalter für das Konsulat, 43 Jahre, also deutlich. Weil er auch bei Antritt seiner Prätur zu jung gewesen war, hat der Althistoriker Theodor Mommsen vermutet, Caesar sei gar nicht im Jahr 100 geboren, sondern bereits 102: Dann hätte er beide Ämter jeweils suo anno erreicht.“

Zudem findet sich im Wikipedia-Beitrag über Caesar die Tatsachenbehauptung:

„Außerdem litt Caesar an Epilepsie.“

Auch hierzu, in Auszügen und somit gekürzt, erneut ein Zitat aus dem Internet (Spiegel-online vom 22.7.2013):

„Menschen mit Epilepsie haben ein drastisch erhöhtes Risiko für einen frühen Tod. Im Vergleich zur übrigen Bevölkerung ist bei ihnen die Wahrscheinlichkeit mehr als verzehnfacht, vor dem Alter von 56 Jahren zu sterben, wie eine britisch-schwedische Langzeitstudie zeigt. […]Das schreiben Forscher um Seena Fazel von der Universität Oxford in der Zeitschrift „The Lancet“. […] Dass Epilepsie die Lebenserwartung senken kann, war bereits bekannt. Nun untersuchten Forscher aus Oxford und vom Karolinska-Institut in Stockholm Daten von rund 70.000 Menschen mit Epilepsie, die in Schweden zwischen 1954 und 2009 zur Welt kamen, bis zum Alter von 56 Jahren. Diese Informationen, im Mittel über eine Zeit von neun Jahren erhoben, verglichen sie mit denen von etwa 660.000 vergleichbaren anderen Schweden. […] Im Studienzeitraum starben fast neun Prozent der Teilnehmer mit Epilepsie, aber nur 0,7 Prozent der Menschen aus der Vergleichsgruppe. In der Epilepsie-Gruppe waren Unfälle oder Suizid mit fast 16 Prozent die dritthäufigste Todesursache.“

An manchen Krankheiten kann man längere Zeit leiden, ohne davon zu wissen. Caesar jedoch wird m.E. wohl gewusst haben, dass er an Epilepsie litt; unklar ist mir, ob er Kenntnisse über den Zusammenhang zwischen dieser Krankheit und einer offenbar damit oft verbundenen niedrigeren Lebenserwartung hatte. Mir allerdings fiel auf, dass im zitierten Bericht dezidiert die verzehnfachte Wahrscheinlichkeit, „vor dem Alter von 56 Jahren zu sterben“, benannt ist; und in den Iden des März 44 v. Chr. war Caesar mit 55 bis 58 Jahren gerade in jenem problematischen Alter.

Naheliegender Weise m.E. wird auch Caesars Zeitgenossen zum einen dessen Alter und zum anderen dessen Erkrankung an Epilepsie bekannt gewesen sein. Welche Schlüsse Caesars Gegner daraus zogen, sei dahingestellt. Was seine Anhänger im Jahre 44 v. Chr. angeht, halte ich es, worauf ich später noch näher eingehe, für wahrscheinlich, dass sie sich folgender Sachverhalte bewusst waren: Von Caesar profitieren konnten sie nur, solange er a) lebte und b) vor allem ,in Amt und Würden’ war.  Selbst wenn man Caesars Krankheit gedanklich ,außen vor’ lässt: Da er in den Iden des März 44 v. Chr. bereits mindestens 55 Jahre alt war, war die Zeit, in der man als sein Anhänger noch von Caesar profitieren konnte, – ich nenne es einmal so – „überschaubar“. Caesars Anhängern wird ebenso bewusst gewesen sein, dass ihnen genau aus solcher ,Gefolgstreue’ später Nachteile entstehen konnten, falls Caesars Gegner im Römischen Reich die Schaltstellen der Macht übernehmen sollten.

Und mag man ihm nun „Caesaren-Wahn“ unterstellen oder nicht: Einem Mann vom Schlage Caesars wird m.E. seinerseits alles das bewusst gewesen sein: Er war bereits „betagt“, er war physisch „angeschlagen“, unter den dargestellten obwaltenden Umständen konnte er sich seiner Anhänger auf längere Sicht nicht uneingeschränkt sicher sein – und die Zahl seiner Gegner im Senat war groß.

Damit kommen wir zu den unmittelbaren Hintergründen seiner Tötung und erneut zitiere ich auszugsweise aus dem Wikipedia-Beitrag über Caesar:

„Caesars Amtsführung als Konsul war im Senat sehr umstritten […] Es waren weniger die(se) [von Caesar betriebenen] Gesetze, die Caesars Gegner vor den Kopf stießen, als vielmehr ihr Zustandekommen: Weil Caesar sich wiederholt mit offenen Rechtsbrüchen über Widerspruch und Obstruktionen eines großen Teils der Senatoren, insbesondere aber über das Veto seines Amtskollegen Marcus Calpurnius Bibulus hinweggesetzt hatte, musste er mit einer Anklage rechnen, sobald er wieder Privatmann wäre – und angesichts der Rechtslage auch mit einer Verurteilung. […] Einiges spricht dafür, dass mit Caesars Konsulat 59 v. Chr. und seinen zahllosen Rechtsbrüchen (einmal ließen er und Pompeius die Gegner einfach vom Versammlungsplatz prügeln) bereits der Weg in den 10 Jahre später ausbrechenden Bürgerkrieg beschritten wurde: Seither wusste Caesar, dass die Optimaten und auch viele andere Senatoren ihn um jeden Preis vor Gericht stellen und ruinieren wollten, um ihn für seine Verfassungsbrüche zu bestrafen und so die res publica zu bewahren. Caesar hingegen wollte sich ebendiesem Schicksal um jeden Preis entziehen. […] Schon […]im Jahre 46 v. Chr. hatte Caesar sich zum Diktator auf zehn Jahre ernennen lassen [; … dann] wurde er vom Senat schließlich Anfang 44 zum dictator perpetuus (Diktator auf Lebenszeit) ernannt. Insbesondere dieser letzte, nicht verfassungskonforme Titel sowie der Auftritt als dictator perpetuus in der alten Königstracht am Lupercalienfest am 15. Februar 44 erweckten den Verdacht, dass Caesar eine Monarchie errichten wolle. Verstärkt wurde dieser Eindruck durch die Art, wie er sich über die „res publica“ äußerte und mit ihren Institutionen umsprang […] Die Frage, ob Caesar wirklich den Titel eines Königs anstrebte oder sich mit der Diktatur begnügen wollte, beschäftigt die Historiker bis heute […] Wie um den toten Punkt zu überwinden (und auch, um sich zusätzlich Legitimation zu verschaffen), mutet seine Entscheidung zu einem großen Feldzug nach Osten an, auf dem die Parther unterworfen werden sollten. Inzwischen hatte sich im Senat unter den Anführern Marcus Iunius Brutus und Gaius Cassius Longinus heimlich eine recht große Gruppe gebildet, die entschlossen war, Caesar zu töten. Viele dieser Senatoren, auch Brutus, hatten in den Jahren zuvor zu den Anhängern und Günstlingen Caesars gezählt. Sie glaubten jedoch seit seiner Ernennung zum dictator perpetuus nicht mehr daran, dass er […] plante, die Republik lediglich umzugestalten: Da Caesar sich nun unbestreitbar als Tyrann entpuppt habe, müsse er sterben, um Rom die Freiheit zurückzugeben. Dass dies zugleich bedeutete, gegen römische Grundwerte wie pietas und amicitia zu verstoßen, nahmen die Attentäter, die vielfach persönlich in Caesars Schuld standen, in Kauf. Obwohl über 80 Senatoren in den Anschlagsplan eingeweiht waren, gab es keinen Verräter.“

Was den letzten Satz in dieser auszugsweise zitierten Textpassage angeht, melde ich m.E. begründete Zweifel an, worauf ich später noch eingehe. An dieser Stelle nur so viel: Nach meiner Interpretation bedeutet das: Caesar hatte einen steilen Aufstieg bis ins höchste Amt im Römischen Reich  h i n t e r  sich, zugleich jedoch eine äußerst ungewisse Zukunft  v o r  sich; bis hin zum Ruin und schmachvoller Verurteilung. Dass Caesar sich ein solches Schicksal – wie zuvor zitiert – „um jeden Preis“ ersparen wollte, halte ich bei einem Mann von seinem Schlage für mehr als naheliegend.

Und nun trage ich einen Satz nach, den ich in der zuvor zitierten Passage ,weggelassen’ hatte: Im Zuge des Konfliktes zwischen Caesar und dem Senat

„versuchten mehrere hochrangige Senatoren, die Triumvirn mit den Optimaten zu versöhnen, indem alle widerrechtlich zustande gekommenen Gesetze aus Caesars Konsulat nun nachträglich legalisiert werden sollten.“

Unter Außerachtlassung des konkreten Kontextes, in dem diese Passage steht, und ohne darauf einzugehen, wie sich dies seinerzeit hätte umsetzen lassen, lässt sich aus dieser Textstelle herauslesen: Es war unter Caesar zu widerrechtlich zustande gekommenen Gesetzen gekommen  und es gab bei mehreren hochrangigen Senatoren das Ansinnen, diese    n a c h t r ä g l i c h  l e g a l i s i e r e n  zu lassen. Sofern es damals die Möglichkeit gegeben haben sollte, etwas nachträglich zu legalisieren, könnte es m.E. damals auch die aus Caesars Sicht drohende Gefahr gegeben haben, etwas anderes  n a c h t r ä g l i c h  für  i l l e g a l   zu erklären und somit zu ändern: Vor (Straf-)Verfolgung schützte Caesar jedoch nur sein Amt als Diktator auf Lebenszeit. Wäre diese verfassungswidrige Ernennung zum Diktator auf Lebenszeit später und noch zu Lebzeiten Caesars „kassiert“ worden, hätte dies samt aller drohender Folgen eine Anklage gegen Caesar ermöglicht.

Versucht man, sich in Caesars Rolle zu versetzen, dann stellen sich Fragen, die mit Blick auf die eingangs vorgestellten Münzprägungen von ,unserem’ Brutus auf die damaligen Geschehnisse ein ganz anderes Licht werfen könnten; und damit komme ich auf die bereits angemeldeten Zweifel zurück: „Obwohl über 80 Senatoren in den Anschlagsplan eingeweiht waren, gab es keinen Verräter“ und zitiere erneut aus der Wikipedia-Darstellung zu Caesars Tod:

„Caesar wurde am 15. März 44 v. Chr. von einer Gruppe Senatoren um […] Marcus Iunius Brutus und Gaius Cassius Longinus während einer Senatssitzung im Theater des Pompeius mit 23 Dolchstichen ermordet. An der Verschwörung waren ca. 60 Personen beteiligt. Noch am Morgen des Tages erwog Caesar, der Senatssitzung fernzubleiben, weil seine Frau Calpurnia die Katastrophe aufgrund von Alpträumen vorausgeahnt haben soll. Ihre Furcht veranlasste ihn, den Augur Spurinna aufzusuchen, der nach Plutarch Zeichen unglücklicher Vorbedeutung sah und ihn warnte: Cave Idus Martias (dt. „Hüte dich vor den Iden des März“). Decimus Brutus wurde deshalb entsandt, um das Scheitern des lange geplanten Vorhabens zu verhindern und den Diktator umzustimmen. Durch geschickten Spott über den vermeintlichen Einfluss von Aberglauben auf Caesars Handeln gelang dies auch. Vor dem Senatsgebäude traf Caesar auf seinen Freund und Mitkonsul Marcus Antonius, der von Gaius Trebonius abgelenkt wurde. Auch eine unterwegs erhaltene Schriftrolle des griechischen Philosophielehrers Artemidoros, die Details zur Verschwörung enthielt, vermochte Caesar nicht zu warnen, denn er überreichte sie einem Mitglied des Stabs, um sie später zu lesen. Vor dem Senatsgebäude stieß Caesar nochmals auf den Seher Spurinna und stellte laut Sueton abschätzig fest „Die Iden des März sind da!“, worauf dieser entgegnete: „Da sind sie, aber noch nicht vorbei.“ Bei seiner Ermordung soll Caesar auf Griechisch seine berühmten letzten Worte an Marcus Brutus gerichtet haben, dem er trotz aller politischen Unterschiede eine Art väterlicher Freund gewesen war: καὶ σὺ τέκνον (kaì sy téknon, „Auch du, mein Sohn“). Vermutlich waren aber seine Verletzungen durch die zahlreichen Dolchstiche zu schwer, um noch ein Sprechen zu ermöglichen. Marcus Tullius Cicero, politisch ein Gegner Caesars, aber an der Verschwörung nicht beteiligt, war Zeuge der Tat und schrieb später in einem Brief an seinen Freund Titus Pomponius Atticus, dies sei das gerechte Ende eines Tyrannen gewesen.“

Die doch erhebliche Abweichung, dass an der Verschwörung gegen Caesar ca. 60 Personen beteiligt gewesen seien, zuvor jedoch von 80 in den Anschlagsplan eingeweihten Senatoren die Rede war, könnte u.a. dadurch erklärt werden, dass von 80 Eingeweihten nur 60 an der Ausführung beteiligt waren. Mich persönlich überrascht allerdings, dass ausgerechnet ein so „prominenter“ Caesar-Gegner wie Cicero, der das Attentat als das „gerechte Ende eines Tyrannen“ offenbar ohne große moralische Zweifel billigte, nicht zu den Verschwörern gezählt haben soll, von denen es hier heißt, „es gab unter ihnen keinen Verräter“. – Ich halte es offen gesagt für äußerst unwahrscheinlich, dass es unter einer so großen Zahl von 60 bis 80 Verschwörern/Eingeweihten nirgendwo eine ,undichte Stelle’ gegeben hätte. Ich stütze mich dabei auch auf die Darstellung, jener Artemidoros habe Caesar eine „Schriftrolle“ „mit Details zur Verschwörung“ übergeben. Wenn es keine ,undichte Stelle’ unter den Verschwörern gab, wie kam Artemidoros dann an seine Detailinformationen? Natürlich kann Artemidoros Mittelsmann oder Mitglied von sozusagen „Caesars Geheimdienst“ gewesen sein. Setzte Caesar – was ich für naheliegend halte – in Kenntnis, als Diktator umstritten zu sein, „Spitzel/Spione/seine Geheimdienstleute“ etc. ein, warum nahm er dann dessen offenbar konkrete und detaillierte Warnung nicht ernst? Die, wie es heißt, auf Albträumen basierende Warnung seiner Frau  h a t t e  Caesar ernst genommen, er hatte erwogen, der Senatssitzung fernzubleiben und er hatte eigens den Augur Spurinna aufgesucht; und der wiederum hatte angeblich „Zeichen unglücklicher Vorbedeutung“  gesehen und Caesar seinerseits gewarnt. – Warum ging Artemidoros Caesar nicht hinterher, warum warnte er nicht Marcus Antonius und andere Caesar-Anhänger; warum traf Caesar selbst offenbar keinerlei Schutzvorkehrungen?

Zugegeben, ich wiederhole mich, weise aber dennoch erneut darauf hin: Caesar kann es nicht verborgen geblieben sein, dass er im Senat zahlreiche Gegner hatte. Es gab also eine konkrete „Gefahrenlage“, erst recht nach seiner Ernennung zum „Diktator auf Lebenszeit“. Genau am Tag des Attentats wurde Caesar von dessen Frau nach einem Albtraum und vom eigens aufgesuchten Auguren nach Auswertung der „Vorzeichen“ vor dem Gang in den Senat gewarnt. Nun mag es sein, dass Caesar sich von alle dem nicht beeindrucken ließ, um nicht des Aberglaubens gescholten zu werden; aber ein Diktator, der von starken Gegnern weiß, lässt doch seine Gegenspieler überwachen. Und, folgt man der o.a. Darstellung, durch Artemidoros wurden Caesar offenbar noch rechtzeitig sogar konkrete, detaillierte  Hinweise auf das bevorstehende Attentat zugespielt. Albträume seiner Frau – nichts Konkretes also – lassen Caesar zögern, er besucht einen Augur, wird erneut gewarnt; und dann soll Caesar die Schriftrolle mit den konkreten, detaillierten Hinweisen ungelesen einem Mitarbeiter seines Stabes überlassen haben? Nun gut, zum „Caesaren-Wahn“ mag der Glaube passen, man habe „alles im Griff“. Aber was hätte Caesar daran gehindert, unauffällig angemessene Vorsichtsmaßnahmen zu treffen?

Wir kommen zur nächsten „Ungereimtheit“. Marcus Antonius war offenbar einer der Getreuen Caesars. War es, und wenn ja, warum, dem mehrfach gewarnten Diktator wirklich entgangen, dass einer derer, auf die er sich verlassen konnte,  v o r  dem Gebäude von Gaius Trebonius abgelenkt wurde? Und warum betrat Caesar dann offenbar ohne Marcus Antonius an seiner Seite jenes Gebäude, in dem sich offensichtlich ,unser’ Brutus samt seiner Mitverschwörer aufhielt; jener Brutus, dessen Adoptivvater zehn Jahre zuvor mit seiner „Ahala-Münze“ den „Tyrannenmord“ propagiert hatte?

Wenn somit eine konkrete Gefahr bestanden hatte, sie bekannt gewesen sein muss und noch rechtzeitig vor dem Attentat bei Caesar mehrfach Warnungen eingingen, weshalb konnte es dann zu jenem „Tyrannenmord“ kommen? Der o.a. Darstellung zufolge starb Caesar an 23 Stichverletzungen, die offenbar so schwer waren, dass er entgegen der Legende um seinen Tod nichts mehr hatte sagen können.

Wie angekündigt, komme ich jetzt darauf zurück: Erdolcht zu werden, erscheint grausam; und damit ist nach heutiger Begriffbestimmung ein Mordmerkmal erfüllt. Beim „Tötungsfall Caesar“ gebe ich zu bedenken: Wäre Caesar ,unser’ Caesar, von dessen Namen sich die Titel Kaiser und Zar ableiten, wenn er als Diktator auf Lebenszeit irgendwann an Altersschwäche gestorben wäre; oder wenn er – falls, und die reale Gefahr bestand, sich das Blatt gewendet hätte – entmachtet, vor Gericht gestellt und gar verurteilt worden wäre? Nicht zuletzt wurde Caesar m.E. dadurch „unsterblich“, dass er nach wie vor auf dem Höhepunkt seiner Macht einem Attentat zum Opfer fiel. Und vergleichsweise betagt sowie krank, starb Caesar eines schnellen Todes. Und so stelle ich, gestützt insbesondere auf die beiden Münzen von Brutus, die Frage in den Raum: Ließ ein überaus vorausschauender Mann wie Caesar das Attentat auf sich geschehen?  Gänzlich  u n e r w a r t e t kann es nach meiner Überzeugung jedenfalls nicht dazu gekommen sein.

Ein interessantes Detail zu Brutus’ Münzen sei am Schluss erwähnt:  Soweit mir bekannt, ließ sich Brutus nach der 2. Schlacht bei Philippi am 23. Oktober 42 v. Chr. töten – mit demselben Dolch, mit der er Caesar getötet hatte.

Mag sein, dass Brutus’ „Ahala-Münze“ – s o  oder aber völlig anders – in der Forschung bereits thematisiert worden war; doch warum lässt sich, nach meinem Kenntnisstand, bis heute dazu nichts in einschlägigen Beiträgen im seit Jahren so wichtig gewordenen Internet auffinden; obwohl die Themen ,Caesar’, sein ,De bello Gallico’ und die ,Iden des März’ (zumindest bis zu meiner Generation) der Allgemeinbildung zugerechnet wurden und das einstige „Nachschlagen“ in (Fach-/Sach-Büchern) seit langem schon vom „Googeln“ abgelöst wurde?

Nordstrand, am 12.12.2016                               Manfred-Guido Schmitz

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